Das deutsche Bildungssystem macht es den Migranten nach wie vor schwer. Migranten gehören bislang zu den Verlierern im deutschen Bildungssystem. Das hat nichts damit zu tun, dass an deutschen KiTas und Schulen blanker Rassismus herrscht, sondern es hat etwas mit der tiefen sozialen Spaltung unserer Gesellschaft zu tun. Schulischer Bildungserfolg ist in Niedersachsen hochgradig abhängig von der sozialen Herkunft der Familie. Sind die Eltern reich und beruflich erfolgreich, sind es auch die Kinder. Viele Migrantenfamilien haben aber den wirtschaftlichen Aufstieg in Deutschland nicht geschafft, weil sie keine faire Chance auf dem Arbeitsmarkt bekommen haben und von Beginn an nur als „Gast“arbeiter angesehen wurden, die man nicht besonders fördern müsse, weil sie sowieso bald wieder gehen würden. Die Auswirkungen dieser jahrzehntelangen menschenfeindlichen Fehlsteuerung spürt heute die zweite und dritte Generation der Migranten. Es wird Zeit, das Ruder herumzureißen und durch strukturelle Reformen und gezielte Fördermaßnahmen diese Ungerechtigkeit zu beenden. Die Fehler, die bei den sogenannten „Gastarbeitern“ gemacht wurden, dürfen sich heute nicht bei Flüchtlingen und Asylsuchenden wiederholen.
Insbesondere brauchen wir eine intensive und kostenfreie Sprachförderung, beginnend in den KiTas und fortlaufend bis weit in die Schulzeit hinein. Dies gilt sowohl für den muttersprachlichen Unterricht als auch für das Erlernen der deutschen Sprache. DIE LINKE will eine aktive Zweisprachigkeit fördern und die Kinder nicht zwingen, die Sprache der Eltern oder Großeltern zu vernachlässigen. Integration in Deutschland bedeutet keinesfalls Assimilation an die deutsche Kultur. Daher dürfen KiTas und Schulen türkische Sprachangebote nicht zurückfahren, sondern müssen sie bedarfsgerecht bereitstellen.
Ein zentrales Problem im Bildungsbereich sind die Wechsel zwischen den einzelnen Einrichtungen. Gerade beim Übergang von der Schule in die Ausbildung gibt es eine schier unüberschaubare Vielzahl von Möglichkeiten. Wir brauchen daher qualifizierte Berufsberater in allen Schulen ab Klasse 8, die die Zeit haben, jeden einzelnen Schüler zu beraten und individuelle Hilfen anzubieten. Gerade beim Übergang in die betriebliche Ausbildung wird die Benachteiligung von Migranten sichtbar: Beispielsweise sind in der Metall- und Elektroindustrie nur 34 % der Bewerber mit Migrationshintergrund erfolgreich, Jugendliche ohne Migrationshintergrund haben hingegen eine Erfolgsquote von 60 % trotz vergleichbarer Voraussetzungen. DIE LINKE will die Unternehmen zu einer höheren Ausbildungsquote verpflichten und beim Versagen mit Strafzahlungen belegen. Gleichzeitig wollen wir Jugendlichen, die ohne Ausbildung auf der Straße stehen, ein öffentlich gefördertes Ausbildungsprogramm anbieten, dass der betrieblichen Ausbildung entspricht. Die Jugendlichen dürfen nicht die Opfer der Ausbildungs-Unwilligkeit der Privatwirtschaft sein.
Insgesamt brauchen wir ein Bildungssystem, das auf Gemeinsamkeit statt Konkurrenz setzt, das Bildungswege lange offen lässt, Vielfalt fördert und Toleranz lehrt. Ein Schulsystem, das 10-jährige aussortiert und unterschiedlichen Bildungschancen zuteilt, hilft nur der oberen gesellschaftlichen Schicht, die von diesem Ausleseverfahren profitieren, weil es den sozialen Abstand stärkt anstatt ihn überwindet. Niedersachsen muss in allen öffentlichen Einrichtungen verstärkt Menschen mit Migrationshintergrund einstellen, damit diese positiv als role models wirken können und gleichzeitig Vorbehalte in der deutschen Bevölkerung gegen „den türkischen Lehrer“ abbauen helfen. Wir dürfen es nicht zulassen, dass deutsche Eltern bereits die Grundschule danach auswählen, wie hoch der Ausländeranteil an der Schule ist. Der latente Alltagsrassismus muss jederzeit an jedem Ort bekämpft werden. KiTas, Schule, Hochschule und Ausbildungsstätten können und müssen dazu einen entscheidenden Beitrag leisten.
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