So sieht das in vielen Familien mit Migrationsgeschichte aus: Die Kinder werden geboren. Sie wachsen in einer liebevollen Umgebung auf. Und irgendwann kommt dann die Schule. Das Problem: Dort sprechen (fast) alle eine andere Sprache, die meisten Kinder zumindest, und auf jeden Fall die Lehrerin. Und alle wissen: Kinder mit Migrationsgeschichte haben es schwer in diesen Schulen.
Die Angst, dass ihre Kinder später in der Schule Probleme bekommen könnten, lässt viele Eltern merkwürdige Dinge tun. Einige versuchen sich z. B. zu Hause in der Mehrheitssprache. Sie denken: Mein Kind soll es in der Schule einmal nicht unnötig schwer haben. Andere wollen für ihre Kinder gute Kenntnisse in beiden Sprachen, wenn es geht sowohl im mündlichen Sprachgebrauch wie auch im Lesen und Schreiben. Und deshalb wird zu Hause nur die Muttersprache gesprochen.
So sieht das in vielen Familien mit Migrationsgeschichte aus: Die Kinder werden geboren. Sie wachsen in einer liebevollen Umgebung auf. Und irgendwann kommt dann die Schule. Das Problem: Dort sprechen (fast) alle eine andere Sprache, die meisten Kinder zumindest, und auf jeden Fall die Lehrerin. Und alle wissen: Kinder mit Migrationsgeschichte haben es schwer in diesen Schulen.
Die Angst, dass ihre Kinder später in der Schule Probleme bekommen könnten, lässt viele Eltern merkwürdige Dinge tun. Einige versuchen sich z. B. zu Hause in der Mehrheitssprache. Sie denken: Mein Kind soll es in der Schule einmal nicht unnötig schwer haben. Andere wollen für ihre Kinder gute Kenntnisse in beiden Sprachen, wenn es geht sowohl im mündlichen Sprachgebrauch wie auch im Lesen und Schreiben. Und deshalb wird zu Hause nur die Muttersprache gesprochen.
Kann man verstehen, dass Eltern mit Migrationsgeschichte an ihrer Muttersprache hängen. Sie ist die Sprache ihrer Vorfahren. In ihr haben sie denken, lesen und schreiben gelernt. Und natürlich ist es wunderbar, wenn sich Menschen in zwei Sprachen bewegen können, in der Sprache ihrer Eltern und in der Sprache der Gesellschaft, die nun eine neue Heimat für sie geworden ist. Das Problem ist aber: Das Ziel Bilingualität im Lesen und Schreiben erreicht nur eine kleine Minderheit von Kindern. Viel häufiger ist die sprachliche Marginalisierung. Können dann nicht richtig deutsch sprechen, und manchmal auch nicht richtig türkisch. Haben in der Schule Probleme. Und dies, obwohl sich die Eltern in den meisten Fällen doch solche Mühe gegeben haben.
Dass es so schwer ist, das Richtige zu tun, ist vielleicht auch eine Folge der immer komplizierteren Forschungslage. Die Bilingualismusforschung hat sich zu einem Gebiet entwickelt, das nur noch wenige Experten überblicken. Einigermaßen sicher ist eigentlich nur: Die Lese/Schreibentwicklung von bilingualen Kindern ist eine Angelegenheit, die sehr komplex ist. Einfache Aussagen sind da ziemlich schwierig zu treffen. Zu allem Unglück erfordert die Lektüre der meisten wissenschaftlichen Veröffentlichungen auch noch vertiefte Kenntnisse in Statistik, und wer hat die schon. Und so stehen viele Eltern und übrigens auch viele Lehrer/innen hilflos vor dem Berg von Forschungsbefunden.
Probleme gibt es z. B. bei der Interpretation der Ergebnisse. Da ist dann z. B. von signifikanten Zusammenhängen die Rede, sagen wir zwischen deutscher Verkehrssprache (also der Sprache, die zu Hause gesprochen wird) und Schulleistungen. Die meisten denken dann: Die Ergebnisse verweisen auf einen kausalen Zusammenhang. Etwa so: Dass zu Hause deutsch gesprochen wird, führt zu den guten Schulleistungen der Kinder. Und vielleicht auch: Wer gute Schulleistungen der Kinder erreichen möchte, sollte zu Hause deutsch sprechen. Klingt vernünftig, ist aber in der Regel leider falsch.
Man weiß inzwischen sogar, dass selbst die Frage von Bedeutung sein kann, ob der Vater der Familie gelegentlich auch Speisen des Einwanderungslands zu sich nimmt. Nichts gegen Kartoffeln, oder welche Speisen die Forscher da auch immer als besonders aussagefähig identifiziert haben. Aber das Problem ist, dass man – statistisch gesehen – türkischen Familien eine Kartoffeldiät für den Vater mit kaum besseren Gründen empfehlen kann als die Einführung der deutschen Verkehrssprache. Man muss die Befunde vermutlich also eher so lesen: Familien mit gebildeten Eltern, Familien, in deren Wohnung hunderte von Büchern stehen, diese Familien haben u.a. auch häufig eine deutsche Verkehrssprache und ihre Kinder sind in der Schule häufig erfolgreich. Arme Eltern mit schlechten Schulabschlüssen mit eher bescheidenen deutschen Sprachkenntnissen und nur wenigen Büchern im Haushalt sprechen zu Hause eher türkisch und ihre Kinder sind nur selten erfolgreich im deutschen Schulsystem. Das spricht also nicht unbedingt dafür, dass arme Familien die Schulleistungen ihrer Kinder dadurch verbessern können, dass sie zu Hause mehr schlecht als recht deutsch sprechen. Das Problem an solchen Zusammenhängen ist also: Man weiß fast nie genau, welcher Faktor wirksam wird.
Das mag auf den ersten Blick etwas deprimierend klingen. Aber interessanterweise ist damit keineswegs gesagt, dass man gar nichts tun kann, wenn man nicht zu den Reichen, Schönen und Gebildeten gehört. Grundsätzlich sollten Eltern mit Migrationsgeschichte zunächst ihre Optionen prüfen. Gibt es eine türkischsprachige Kita vor Ort? Und: Können die Kinder nach der Kita in eine Schule wechseln, in der der Unterricht zumindest in den ersten Jahren mehrheitlich auf Türkisch erteilt wird? Lernen die Kinder in dieser Schule nicht nur in Türkisch lesen und schreiben, sondern werden darüber hinaus auch weitere Unterrichtsfächer in der Muttersprache der Kinder erteilt? Wenn das alles so ist, und eigentlich nur dann, wenn das alles so ist, dann macht es Sinn, sich zunächst auf eine Sprachförderung in der ersten Sprache zu konzentrieren. Denn: Anhänger bilingualer Konzeptionen gehen vergleichsweise häufig davon aus, dass die erste Sprache früh und umfangreich gefördert werden muss, bevor die zweite Sprache eingeführt wird.
Wer dagegen weiß, dass sein Kind eben nicht in der Muttersprache lesen und schreiben lernen wird, wer keine Kita und keine Schule mit umfangreichen Angeboten für bilinguale Kinder in seiner Nähe weiß, der muss andere Wege gehen. Das Ziel heißt dann zunächst: Mein Kind soll bis zu seiner Einschulung möglichst gute Sprachkenntnisse in der Mehrheitssprache entwickeln. Erfreulicherweise weiß man inzwischen ganz gut, wie man derlei erreichen kann. Die Bilingualismusforscher Silven und Rubinov haben z. B. festgestellt, dass bilinguale Kinder um so bessere Kenntnisse in der zweiten Sprache entwickeln, je früher und umfangreicher sie mit der zweiten Sprache in Kontakt kommen. Eltern, die in dieser Situation sind, sollten sich zunächst darüber im Klaren sein, dass ihr Kind eine Kita besuchen sollte, und zwar so früh wie möglich und so viele Stunden am Tag wie möglich. Ihr Kind sollte in eine Kita gehen, deren Kinder zu sehr großen Anteilen deutsche Muttersprachler sind. Gut ist z. B., wenn die Erzieherinnen von Trainingsprogrammen zur Förderung der phonologischen Bewusstheit berichten. Denn man weiß ziemlich genau, dass die phonologische Bewusstheit (also die Fähigkeit, Laute aus der gesprochenen Sprache isoliert wahrzunehmen), eine wichtige Basis für die spätere Lese- und Schreibentwicklung ist. Kann man trainieren, auch bei bilingualen Kindern, sehr gut sogar.
Der zweite Rat bezieht sich auf die soziale Umgebung der Kinder. Einige Eltern mit Migrationsgeschichte wohnen in Stadtvierteln, in denen sich eine Mehrheit von Migrantenfamilien eingerichtet hat, Stadtteile in denen es z. B. mehr türkische Geschäfte gibt als deutsche, in denen fast alle Erwachsenen türkisch sprechen, und in denen auch fast alle Kinder der Nachbarschaft türkisch sprechen. Eine solche Umgebung mag angenehm sein für die Eltern und vielleicht gut für die türkischen Sprachkenntnisse der Kinder. Aber dass Kinder in einer solchen Umgebung nun besonders gut auf den Unterricht in einer deutschsprachigen Schule vorbereitet werden, das kann man kaum erwarten. Für die meisten Eltern ohne Migrationsgeschichte sind die Kita und die Schule vor Ort ein ganz entscheidendes Kriterium bei der Wohnungssuche. Hohe Anteile von bilingualen Kindern werden meistens als ein Problem angesehen. Sieht nach Ausländerfeindlichkeit aus, hat aber handfeste Gründe. Und so merkwürdig das klingen mag: Wenn keine bilingualen Einrichtungen zur Verfügung stehen, ist es gerade für Eltern mit Migrationsgeschichte wichtig, eine Kita, eine Schule zu suchen, in der nicht allzu viele zweisprachige Kinder unterrichtet werden. Denn das Sprachvorbild der deutschen Muttersprachler ist gerade für sie besonders wichtig.
Dass die Bilderbuchbetrachtung und später auch das Vorlesen aus Kinderbüchern – in deutscher Sprache – eine gute Sache ist, kann man als dritte Empfehlung aus der Forschungslage ableiten. Vorlesen erweitert den Wortschatz. Und ein guter Wortschatz ist wichtig, wenn man Lesen und Schreiben lernt. Vorlesen ist also eine wirklich wichtige Sache. Wenn die Sprachkenntnisse der Eltern hierfür nicht ausreichen, dann müssen eben die Nachbarn, Tanten oder Onkel helfen. Versteht sich von selbst, dass man auch hier früh anfangen muss (d.h. im ersten Lebensjahr mit einfachen Bilderbüchern), dass man regelmäßig vorlesen muss (also z. B.: jeden Abend) und dass die Kinder sich später ihre Bücher in der Bibliothek oder im Buchhandel aussuchen sollen. Das alles soll selbstverständlich keine unangenehme Pflichtübung sein, sondern eine schöne Zeit, die man mit seinen Kindern verbringt. Denn Kinder sollen lernen, dass Bücher eine tolle Sache sind, lange bevor sie selbst lesen können. Wenn niemand in der Umgebung Bücher vorlesen kann, dann ist es auch möglich, auf Hörbücher für Kinder zurückzugreifen. Dabei gilt natürlich: Nicht die Kinder alleine im Kinderzimmer Kassetten hören lassen. Sondern das Hörbuch gemeinsam genießen!
Was bleibt? Bilingualität ist eine gute Sache. Wer die Möglichkeit hat, seine Kinder in bilinguale Schulen zu schicken, sollte das unbedingt tun. Das Problem ist aber: Die Vorteile bilingualer Förderung haben sich in den Bildungsverwaltungen der Einwanderungsländer Europas noch nicht herumgesprochen. Wirklich angemessene Angebote bilingualer Förderung sind rar. Und so bleibt den meisten Eltern eigentlich gar nicht die Wahl zwischen Zweisprachigkeit oder Einsprachigkeit. Sondern Eltern mit Migrationsgeschichte können eigentlich nur noch die Wahl treffen, ob ihre Kinder die Mehrheitssprache gut beherrschen lernen sollen oder nicht. Das ist bedauerlich, aber kurzfristig kaum zu ändern. Wie also würden Sie entscheiden, wenn Sie Kinder haben, die in den nächsten Jahren eingeschult werden?
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