Die Gaste
ÝKÝ AYLIK TÜRKÇE GAZETE
ISSN 2194-2668
DÝL VE EÐÝTÝMÝ DESTEKLEMEK ÝÇÝN ÝNÝSÝYATÝF
(Initiative zur Förderung von Sprache und Bildung e.V.)


  • ÖNCEKÝ YAZI
  • SONRAKÝ YAZI
  • Ausgabe 29 / November-Dezember 2013



    Ausgabe 29 / November-Dezember  2013

     
     

    Die Gaste

    ÝKÝ AYLIK TÜRKÇE GAZETE

    ISSN 2194-2668

    DÝL VE EÐÝTÝMÝ DESTEKLEMEK ÝÇÝN
    ÝNÝSÝYATÝF

    Yayýn Sorumlusu (ViSdP):
    Engin Kunter


    diegaste@yahoo.com

    Interkulturelle Öffnung der Verwaltung
    [Kamu Yönetiminin Kültürlerarasý Açýlýmý]


    Dr. Faraj REMMO

    Interkulturelle Öffnung bezeichnet die Ausrichtung von Institutionen auf die Anforderungen der Einwanderungsgesellschaft. Dabei geht es bei der Verwaltung im Wesentlichen darum, dass sie auf allen Ebenen die Realität der Einwanderungsgesellschaft wahrnimmt und bei der Definition und Durchführung ihrer Aufgaben berücksichtigt. Eine leistungsfähige und bürgerorientierte Verwaltung ist ein wichtiger Standortfaktor. Vor dem Hintergrund einer immer komplexer werdenden Gesellschaft ist sie zunehmend gefordert, auf veränderte Rahmenbedingungen zu reagieren – will sie denn wettbewerbsfähig bleiben.

    Welche Folgen hat die steigende Zahl von Migranten für die öffentliche Verwaltung?

    In den einzelnen Behörden, Ämtern und sozialen Diensten bestimmen ganz unterschiedliche Motivationen und Bedingungen den Umgang mit einer fremdkulturellen Klientel. Unter den Mitarbeitern gibt es nach wie vor verbreitet Vorurteile und Ressentiments gegenüber ausländischen Kunden (Fischer 2005: 27;) aber auch gegenüber ausländischen Kollegen (Anderson 2000: 23ff.). Sie müssen in einem Zusammenhang gesehen werden mit Ängsten, die die Angestellten haben, etwa der Sorge über eine mögliche zusätzliche Arbeitsbelastung durch migrationsspezifische Aufgaben, dem Gefühl, dass die bisherige Arbeit nicht anerkannt wird (Fischer 2005: 27) oder einer Überforderung durch ausländische Klienten (Anderson 2000: 12f.).

    Bisherige Weiterbildungsangebote reichen nicht mehr hin, um die Mitarbeiter auf die Herausforderungen durch Klienten mit Migrationshintergrund vorzubereiten (Hinz-Rommel 1995: 9f.). In der Vergangenheit blieben sie oft genug bei der Vermittlung von sprachlichen oder landeskundlichen Informationen stehen. Zudem werden Fortbildungsangebote von den Mitarbeitern zum Teil sehr skeptisch aufgenommen. Von Seiten der ausländischen Klienten in deutschen Behörden werden bestimmte Herausforderungen an die Strukturen der Institutionen herangetragen. Ein zentraler Punkt ist die Unterversorgung der Migranten mit Angeboten besonders im Bereich Beratung. Die Migranten reagieren darauf mit einem spezifischen Nutzerverhalten. Gemessen an ihrer äußerlichen und psychischen Belastung finden sich relativ wenige von ihnen in den Beratungsdiensten. Sie sind lediglich „bei den Diensten und Einrichtungen überproportional vertreten …, die die britische Expertin Dominelli als den ‚exclusive channel’ der Sozialarbeit bezeichnet … – Jugendgerichtshilfe, Streetwork, Zufluchtsstätten für Frauen usw. – im Unterschied zu den präventiven Einrichtungen“ (Gaitanides 1999: 41.). Die präventiven Dienste dagegen werden von Migranten vergleichsweise wenig frequentiert. Auf die Frage der interkulturellen Öffnung bezogen, „dokumentiert ihre Überrepräsentation in den ‚Endstationen’ der sozialen Arbeit … eher ein Versagen vorsorgender Maßnahmen, als dass diese Überrepräsentation eine Folge der interkulturellen Öffnung dieser Bereiche wäre“ (Gaitanides 2006: 24).

    Insgesamt besteht mithin ein wachsender Bedarf an spezialisierten Beratungs- und Hilfsangeboten (Kirchner o.J.).

    Welchen Charakter hat die Kommunikation in und mit Behörden?

    Behördenkommunikation ist zunächst durch verschiedene Zwänge gekennzeichnet, die in ihrer grundsätzlichen Struktur begründet liegen. Erstens ist sie immer entscheidungsbezogen (Riehle & Seifert 2001: 15), das heißt: Das reguläre Ende der Kommunikation ist die Entscheidung des Verwaltungsmitarbeiters, dem durch seine Funktion die alleinige Entscheidungsmacht zukommt. Das heißt zum einen, dass die Kommunikation nolens volens gelingen muss, da der Klient auf eine Entscheidung angewiesen ist (ebd.). Zum anderen entsteht ein asymmetrisches, nicht-egalitäres Verhältnis durch die klare Rollenaufteilung zwischen einem Funktionsträger und dem Bürger, der die Funktion in Anspruch nimmt (Sprung 2002: 132). Das Verhältnis ist umso festgefügter, da es zum Teil durch äußere Parameter vorbestimmt ist: Es ist „durch die Struktur und Aufgabendefinition der Behörde vorbestimmt“ (ebd.); außerdem ist es inhaltlich und strukturell in jedem Fall rechtlich verfaßt (Riehle & Seifert 2001: 16). Diese äußeren Parameter gründen in der Tatsache, dass Verwaltung immer auch eine gesellschaftliche und nicht bloß eine private Funktion hat (ebd.).

    Eine Hauptquelle für Störungen liegt sicherlich in der Kollision der beiden grundlegend verschiedenen Ausgangshaltungen der Interaktionspartner. Das ist zum einen „der Grundmodus einer sachlichen und emotional neutralen Kommunikation“ (Riehle und Zeng 1998: 22), der für die Verwaltungsmitarbeiter anzunehmen ist. Diese „Norm der Unpersönlichkeit“ (Riehle & Seifert 2001: 16; Sprung 2002: 132) bricht sich an der existentiellen Betroffenheit der Klienten und an deren Erwartung einer persönlicheren Behandlung ihrer privaten Anliegen. Noch immer bestehen Zugangsprobleme für die nichtdeutschen Bevölkerungsgruppen gegenüber den Dienststellen der öffentlichen Verwaltung. Auch wo Migrantinnen und Migranten als Klienten, Antragssteller usw. zahlreich in Erscheinung treten, kommt es oft zu Verständigungsschwierigkeiten, Verzögerungen und Konflikten. Diese Probleme und Hemmnisse beruhen nicht nur auf sprachlichen Kommunikationsproblemen. Oft ist das fehlende Wissen über kulturelle Hintergründe sowie über die besondere soziale und rechtliche Situation der Migrantinnen und Migranten der Grund für Konflikte. Bei Migrantinnen und Migranten gibt es wiederum Schwellenängste und Informationsdefizite hinsichtlich der Leistungen und Vorgehensweisen kommunaler Dienststellen.

    Interkulturelle Öffnung erfordert Produkte, Strukturen und Prozesse, die die Zugangsbarrieren für Migrantinnen und Migranten so niederschwellig wie möglich halten. Die überwiegende Zahl öffentlicher Dienstleistungen, so z. B. die gesamte alltägliche Daseinsfürsorge, wird von kommunalen Diensten erbracht. Dass diese Angebote wirklich alle Bürgerinnen und Bürger erreichen, ist Ziel einer bürgerorientierten und –freundlichen Verwaltung und ist in ganz besonderem Maße ein Erfolgsfaktor für kommunales Integrationsmanagement.

    Das Konzept der interkulturellen Öffnung soll dazu beitragen, die öffentliche Verwaltung auf die Anforderungen einer durch Migration veränderten Gesellschaft einzustellen und deren Angebote und Leistungen für Minderheiten leichter zugänglich zu machen. Denn als „Repräsentant des Staates in der Alltagswelt in der Zivilgesellschaft“ (Meyer 2002: 40) ist die Verwaltung der entscheidende Ort, an dem Menschen mit Migrationshintergrund in Kontakt mit zentralen gesellschaftlichen Institutionen – als Arbeitgeber wie auch als Dienstleister – kommen. Interkulturelle Öffnung in der Verwaltung hat daher folgende wesentlichen Ziele (Schröer 2007):

      • Chancengleichheit:
          Die Wahrung des Gleichbehandlungs- und Gerechtigkeitspostulats des Grundgesetzes erfordert den gleichberechtigten Zugang zu öffentlichen Diensten sowie die Möglichkeit zur Teilhabe und Mitgestaltung für alle Bürger.

      • Akzeptanz von Vielfalt:
          Besonderer Bedeutung kommt der Entwicklung einer Grundhaltung und eines Selbstverständnisses zu, das Vielfalt anerkennt und wertschätzt sowie zu einer offenen und vorurteilsfreien Atmosphäre beiträgt. Dieses Selbstverständnis soll sich dann in einer interkulturell sensiblen Haltung im Umgang mit Mitarbeitern mit Migrationshintergrund widerspiegeln.

      • Abbau von Zugangsbarrieren:
          - Zugangsbarrieren auf der Seite der Bürger mit Migrationshintergrund können sein: Informationsdefizite über Angebote und Verwaltungshandeln, sprachliche Schwierigkeiten, unterschiedliches Kommunikationsverhalten, Ängste vor rechtlichen Konsequenzen, eigene Diskriminierungserfahrungen, strukturelle Diskriminierungen, kulturell geprägte Interpretationsmuster, bürokratische Arbeitsweise.
          - Zugangsbarrieren auf der Seite der Behörden können sein: Stereotype, mangelnde soziokulturelle Akzeptanz, Angst vor Fremden, Informationsdefizite über deren Kultur und Lebensweise, fehlende interkulturelle Informationskompetenz, Überforderungsgefühl und Kompetenzverlustängste, Beharren auf eingespielten Wissens- und Handlungsroutinen.

      • Wertschätzung und Nutzung der Potenziale:
          Mit der Akzeptanz und Anerkennung sowie dem Abbau von Zugangsbarrieren ist auch ein Perspektivenwechsel auf die Zuwanderer zu vollziehen im Sinne einer Abkehr von der Defizitorientierung hin zu einer Ressourcenorientierung.
          Durch interkulturelle Öffnung erschließt sich die Verwaltung neue Ressourcen und sichert ihre Leistungsfähigkeit. Interkulturelle Öffnung zeigt sich dabei sowohl in der erzeugten Außenwirkung der Verwaltung als auch in der inneren Organisation der Behörde. Sie hat positive externe wie interne Effekte (Tepecik 2010).

      • Externe Effekte:
          Verwaltungshandeln wird für Zuwanderer transparenter und damit zugänglicher. Interkulturelle Öffnungsprozesse zeugen von Bürgernähe. Die Ausübung staatlicher Ämter durch Menschen mit Migrationshintergrund vermittelt zudem einerseits eine Anerkennung der Zuwanderer als Teil der Gesellschaft und andererseits gesellschaftliche Normalität (Tepecik 2010).

      • Interne Effekte:
          Durch die Einstellung von Beschäftigten mit Migrationshintergrund lassen sich Kompetenzen für die Verwaltung erschließen, die im Berufsalltag zunehmend an Bedeutung gewinnen. Positive interne Effekte durch die Einstellung von Beschäftigten von Migrationshintergrund sind die höhere Kreativität und Innovation in Arbeitsprozessen durch die Einbeziehung vielfältiger Sichtweisen, die Nutzung der interkulturellen Erfahrungen und Kompetenzen sowie die Nutzung der Mehrsprachigkeit als Ressourcen in einem Arbeitsalltag, der zunehmend durch internationale Kontakte und die Berührung mit unterschiedlichen kulturellen Milieus geprägt ist.

    Ein großer Teil der interkulturellen Öffnung kommt wie gesagt den Kommunen zu, denn Integration findet zunächst vor Ort statt – in den Gemeinden, in den Stadtvierteln, in der direkten Nachbarschaft, in den örtlichen Verwaltungen. Ziel ist vorrangig der Abbau von Zugangsbarrieren zu kommunalen Dienstleistungen. Viele Kommunen haben hier bereits erfolgreich Gesamtkonzepte erarbeitet oder Einzelprojekte umgesetzt. Der Vielfalt gerecht zu werden und Integration voranzutreiben ist aber nicht nur eine kommunale, sondern auch eine staatliche Aufgabe. Der Staat übt hier eine Vorbildfunktion für andere Institutionen aus. Die staatliche Verwaltung ist gefordert, geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen, um interkulturelle Öffnungs- und Reformprozesse voranzutreiben – vor allem in den Schlüsselbereichen gesellschaftlicher Integration: Schule und Hochschule, Polizei, Justiz und Soziales. Da es sich hierbei um lang angelegte Entwicklungsprozesse handelt, müssen diese auf allen Organisations- wie Hierarchieebenen erfolgen: im Personalwesen (Personalgewinnung und -entwicklung), in der Organisationsentwicklung, in der Qualitätsentwicklung sowie in der Informations- und Öffentlichkeitsarbeit.

    Interessant wäre es die interkulturelle Öffnung innerhalb der Migrantenorganisationen sowie Moscheen, Kultur- und Sportvereine, etc. zu beobachten und zu fördern.
     
     
     
        Literatur:
        Anderson, Philip 2000: Interkulturelle Kompetenz und die Öffnung der sozialen Dienste – Eine Studie des Sozialreferates der Landeshauptstadt München. München: Sozialreferat der Stadt.
        Fischer, Veronika 2005: Gesellschaftliche Rahmenbedingungen für die Entwicklung migrationsbedingter Qualifikationserfordernisse. In: Veronika Fischer, Monika Springer & Ioanna Zacharaki (Hrsg.): Interkulturelle Kompetenz. Fortbildung – Transfer – Organisationsentwicklung. Schwalbach: Wochenschau Verlag, S. 11-30.
         Gaitanides, Stefan 1999: Zugangsbarrieren von MigrantInnen zu den sozialen und psychosozialen Diensten und Strategien der interkulturellen Öffnung. IZA, Vol. 3/4, S. 41-45.
        Gaitanides, Stefan 2006: Interkulturelle Öffnung der sozialen Dienste – Visionen und Stolpersteine. In: DRK, S. 24-38.
        Hinz-Rommel, Wolfgang 1995: Kompetenz und Öffnung – Die Debatte um interkulturelle Öffnung im Kontext. In: Barwig & Hinz-Rommel, S. 9-22.
        Meyer, Thomas: Grußwort, in: Interkulturelle Öffnung in der Verwaltung – Zuwanderungsland Deutschland in der Praxis. Dokumentation der Fachtagung der Friedrich-Ebert-Stiftung vom 23. / 24.05.2002, S. 40
        Riehle, Eckart & M. Zeng 1998: Kommunikation und Kommunikationsprobleme zwischen Migranten und Verwaltung in Thüringen. Erfurt.
        Riehle, Eckart & Michael Seifert 2001: Stolpersteine interkultureller Verwaltungskommunikation. In: Riehle, S. 11-35.
        Schröer, Dr. Hubertus 2007: Interkulturelle Öffnung, Gesprächskreis Migration und  Integration, Sprung, Annette 2002: Interkulturalität – eine pädagogische Irritation? Pluralisierung und Differenz als Herausforderung für die Weiterbildung. Frankfurt u.a.: Peter Lang.
        Tepecik, Dr. Ebru: Integrationspolitische Aspekte der interkulturellen Öffnung, Vortrag im Rahmen des Symposiums „Interkulturelle Öffnung der Bundesverwaltung" am  26.10.2010 im BAMF.